Vom Bayerischen Wald ins Donautal
Tagebuch eines Alleinreisenden über die erstmalige Teilnahme an einer Gruppen-Radreise
26. Juli 2014 – Anreise
Meine Einschätzung war viel zu optimistisch: Statt etwa 6 Stunden Fahrzeit werden es etwas mehr als 8. Warum auch müssen so viele andere Autos zur gleichen Zeit und in gleicher Richtung unterwegs sein? Dann die bange Frage für mich als Alleinreisender: Wird die Chemie stimmen mit den durchweg unbekannten Mitreisenden??
Entwarnung: Bei der Begrüßung am rustikalen Gartentisch vor unserer Pension erweisen sich die anderen als aufgeschlossene und nette Mitmenschen. Eine Einschätzung, die sich bei einer lockeren Vorstellungsrunde nach dem Abendessen und den anschließenden Gesprächen festigt. Erwin (Dr. Aschenbrenner) trifft genau den richtigen Ton und schafft so ein Klima der Ungezwungenheit. Das kann passen – so mein Fazit beim zu-Bett-Gehen (aber wie soll ich mir bloß die vielen Namen merken?)!
27. Juli 2014
Regenwahrscheinlichkeit etwa 50-60% – doch beim Frühstück sieht das Wetter eigentlich ausgesprochen freundlich aus! Um 9 Uhr geht es los. Auf den ersten Kilometern Einrollen auf leicht hügeligen Wegen. Bei einem kurzen Zwischenstopp erläutert uns Erwin die Tradition der sogenannten Totenbretter (davon werden wir in den nächsten Tagen noch reichlich sehen). Dann kommt es für gut 2,5 km auf Waldwegen zum ersten Kräftemessen Radler gegen Berg. Früher oder später gewinnt bei den meisten der Berg, zumindest auf Teilstrecken. Dennoch schwitzen wir uns langsam aber sicher fast 250 m den Berg hoch.
Oben findet auf dem Berggehöft Trailling ein Kirchweihfest statt. Wir verschnaufen und stellen fest, dass die allermeisten anderen Besucher mit Pkw und damit deutlich bequemer als wir hochgekommen sind. Aber wir haben es ja nicht anders gewollt! Zwei Waldbauernhöfe weiter dann die jetzt wirklich verdiente Mittagspause. Zwischendurch immer mal wieder ein verstohlener Blick auf den Spickzettel (Wie heißt nochmal der ansonsten äußerst sympathische Mitradler, der gerade die Suppe verschüttet hat?).
Anschließend in teilweise rasender Fahrt talwärts nach Lam. Am Ortsrand erneute Einkehr, diesmal bei Aschenbrenners dahoam zu Kaffee und Kuchen. Der gegenüber liegende Berghang verschwindet gerade in Wolken. Wir beschließen, den Regen, der jetzt für den Großteil des Nachmittags einsetzt, einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. In weiterhin sonniger Stimmung erfahren wir einerseits den Gegenhang, andererseits von Erwin (Familien-)historisches, u.a. zu einer Familienkapelle und zu einer Fabrikantenvilla mitten im Wald. Wir blicken nochmals hinab in den Lamer Winkel. Dann fahren wir endgültig ins Tal runter, wo in der Pension das Abendessen auf uns wartet. – Was mag das nur sein: Sterz mit Kraut...?
28. Juli 2014
Das gestrige Essen war richtig gut, der Tagesausklang gemeinsam auf dem Balkon ebenso. Beim Frühstück stelle ich fest, dass der Spickzettel künftig entbehrlich ist; die Namen sitzen. – Heute geht es gleich vom Start ab zur Sache: die ersten 3 km mit durchschnittlich 10% Steigung den Kaitersberg hoch. Gut, dass die Straße im Wald und damit weitgehend im Schatten verläuft, denn im Gegensatz zur Vorhersage lacht auch heute wieder die Sonne vom Himmel! Einige aus unserer Gruppe haben sich den Anfangsanstieg gespart und sich von Erwins Frau Astrid, die wir gestern kennengelernt haben, im Auto hochbringen lassen. Deutlich gemäßigter geht es jetzt noch weiter aufwärts und dann auf schönen Waldwegen über den Weiler Eschlsaign nach Eck, im Winter Talstation eines Skilifts. Wir aber sausen mit unseren Rädern nach Arnbruck runter und verschenken dabei mit viel Vergnügen die vorher mühsam erkämpften Höhenmeter.
In den Ausstellungsgärten des Arnbrucker „Glasdorfs“ wird die gesamte Spanne zwischen Kunst und Kitsch bedient – wir sehen und bewundern zusammen mit zahllosen anderen Touristen die unterschiedlichsten Glasexponate. Zu Mittag sitzen wir beim Dorfwirt im Schatten von Sonnenschirmen, als es innerhalb von Minuten wie aus Kübeln zu schütten beginnt. Nur knapp gelingt es uns, unsere Speisen und Getränke in trockenere Gefilde zu retten.
Nach einer dreiviertel Stunde lässt der Regen nach. Wir brechen wieder auf und können die zweite Hälfte unserer Radtour in hügeliger Landschaft noch richtig genießen. Am Nordhang fahren wir das abwechslungsreiche Zellertal hinab und schließlich über den trennenden, glücklicherweise aber nicht mehr allzu hohen Bergrücken zurück nach Hohenwarth.
Dort steht jetzt die Entscheidung an, wo wir unser Abendessen einnehmen. Trotz etwas unsicherer Wetterprognose geht es wieder den Kaitersberg hinauf, diesmal jedoch mit Autos. Angesichts der wenige Stunden zuvor mit dem Rad bewältigten Steigung erstarren wir fast in Ehrfurcht vor uns selbst. Vom Waldparkplatz aus steigen wir auf felsigem Wanderweg auf zur Kötztinger Hütte in gut 1000 m Höhe. Die Stärkung hier haben wir uns redlich verdient. Während der Hüttenwirt von seinem interessanten Werdegang erzählt, genießen wir den Blick auf die umliegenden Berge und hinab ins abendliche Zellertal.
29. Juli 2014
Heute steht ein Quartierwechsel an; also wird das Gepäck in das Begleitfahrzeug geladen und von Astrid nach Cham gebracht. Da zwei von uns – vor einer gefühlten Ewigkeit – mit Pkw angereist sind, müssen wir zusehen, wie wir auch die Autos möglichst elegant nach Cham bringen. Auf Erwins Vorschlag hin werden sie zunächst am Bahnhof zwischengeparkt. Dann geht die Radtour los. Erste Zwischenstation ist Bad Kötzting. Unser Eindruck: Nettes Städtchen mit schöner Kirche und Pfarrgarten, aber viel zu viel Autoverkehr in zu engen Gassen. Etwas weiter können wir am Blaibacher See nicht widerstehen, uns in die Fluten zu stürzen. Bei der Mittagspause in Blaibach (mit mittlerweile gewohntem Regenguss) bewundern wir den Unternehmungsgeist dieser Gemeinde, mit dem Bau eines Konzerthauses die Musikwelt aufs Dorf zu locken. – Später am Nachmittag dann erneute Badepause am Satzdorfer See – eine herrliche Abkühlung! – Über Chammünster geht es anschließend zum Zielort Cham.
Während die anderen sich schon in der Unterkunft frisch machen, fahren wir Pkw-Reisende bei strömendem Regen mit dem Zug zurück nach Hohenwarth und holen die Autos nach.
Abends geht es mit dem Rad – es ist wieder trocken – zur urigen Vesper in die Klostermühle Altenmarkt (auch eine eigentlich gesperrte Straßenbrücke kann uns nicht aufhalten). Sobald wir im Mühlenhof Platz genommen haben, versucht ein Regenschauer, uns das Essen zu vermiesen. Doch auch unter dem Remisendach sitzt man gemütlich (und trocken)! – Im Dunkeln geht es zurück nach Cham.
30. Juli 2014
Entgegen der Vorhersage ist das Wetter zunächst trocken, wenn auch ziemlich stark bedeckt. Es geht auf flacher Strecke die Chamb aufwärts zur Alten Mühle in Nößwartling. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) betreibt hier ein Umweltschutzzentrum und betreut das umliegende, weitläufige Areal in der Flussniederung. Die stellvertretende Leiterin erläutert das Konzept des Zentrums und vermittelt uns interessante Eindrücke vom Biotop. Als wir uns wasserdichte Anglerhosen angezogen haben, um die Führung im Mühlengraben fortzusetzen, verbannt uns ein heftiger Regenguss zunächst ins Mühleninnere. Eine halbe Stunde später können wir uns aber wieder nach draußen und ins Wasser wagen. Von hier aus bietet das Feuchtbiotop noch ganz neue Aspekte! – Weil das Wetter weiterhin reichlich unsicher scheint, kürzen wir unsere Radtour etwas ab und fahren auf gleicher Strecke wie beim Hinweg zurück nach Cham.
Abends steht ein Kneipenbummel an: Im Rahmen einer Stadtführung wird in drei unterschiedlichen Gastwirtschaften ein 3-Gänge-Menue serviert, jeweils unterlegt mit historisierenden Spielszenen. Im Empfinden von uns mittlerweile arg verwöhnten Radtouristen ist das Ganze etwas zu sehr als Massenveranstaltung angelegt. Andererseits: originelle Lokale – gutes Essen – Gruppe Böhmen-Reisen zusammengesessen – Haken dran!
31. Juli 2014
Abermals wird das Quartier gewechselt, wieder mit der logistischen Herausforderung hinsichtlich der Autos. Also als erstes wieder die Fahrzeuge zum Bahnhof, diesmal auch das Begleitfahrzeug, da Astrid heute für den Transfer nicht zur Verfügung steht. Dann geht’s auf die Räder und auf schönen, ebenen Wegen am Regen entlang ins kleine Städtchen Roding. Nach kurzer Pause dort finden wir dann mal wieder einen Berg, den wir zunächst hoch, dann sofort auf der anderen Seite wieder runter fahren (schlappe 130 Höhenmeter). Anschließend radeln wir direkt am Regen entlang bis zur Mittagspause im ehemaligen Zisterzienser-Kloster Walderbach. Auf der sonnigen Terrasse lassen wir die Seele baumeln, bis Erwin sich selbst und beide „Autofahrer“ zum Aufbruch mahnt.
Uns drei erwartet wieder der gerade erst vor Kurzem überwundene Berg und dahinter in Roding der Zug, der uns zu den Autos zurück nach Cham bringen soll – keine zwei Minuten später hätten wir am Bahnhof sein dürfen! – Knapp 20 km vor unserem heutigen Zielort Regenstauf haben wir uns zum Kaffeetrinken mit unserer Reisegruppe verabredet, die seit Kloster Walderbach unter vorübergehend anderer Führung weiterfährt. In einem schönen Gasthof etwas oberhalb des Regen hat man uns einen Platz im Schatten alter Kastanien freigehalten. Danach trennen sich unsere Wege wieder, da wir die Fahrzeuge ja nach Regenstauf überführen müssen.
In Regenstauf schwingen Erwin und ich uns gleich wieder auf die Räder, um dem Rest entgegenzufahren. Wegen technischer Probleme mit meinem Rad fährt Erwin schließlich doch allein. Sollten die Probleme schnell zu beheben sein und ich noch hinterherkommen wollen, versichert er mir aber, dass ich den Weg gar nicht verfehlen könne. Denkste ...
In wunderschöner Abendstimmung sitzen wir später „beim Franzosen“ direkt am Wasser und schmausen, was die Karte hergibt. Wieder in der Unterkunft (Schloss Spindlhof!) lässt ein Häuflein Unentwegter den Abend in gemütlicher Runde ausklingen …
1. August 2014
Heute wechseln wir vorübergehend das Flusstal. Über sanft geschwungene Hügel geht es durch eine reizvolle Landschaft hinüber zur Naab. Unterwegs besichtigen wir eine reichlich ausgefallene Kunstausstellung: Mitten in der Einsamkeit des Waldes können wir in der sogenannten „Waldkunst“ unterschiedlichste Skulpturen bewundern, überwiegend aus Holz.
Auf teils abenteuerlichen Pfaden („Na, ist der Weg noch richtig?“) führt uns Erwin in das schnuckelige Künstlerstädtchen Kallmünz. Hier kühlen wir uns nach kurzer Besichtigungsrunde erst einmal bei einem Bad in der Naab ab. Erwin arrangiert zwischenzeitlich einen Termin mit seinem guten Bekannten Martin. Martin stellt uns daraufhin seinen direkt unter der Burgruine gelegenen Felsgarten vor, mit eigenwilligen Kunstwerken und einem Efeu, der sich über -zig Meter am Fels emporwindet.
Mittagszeit. Wir sitzen im malerischen Innenhof des Künstlergasthofs „Goldener Löwe“ und lassen uns dessen selbstgebrautes Bier und/oder andere Spezialitäten munden. Erwin versucht sich beim Vortrag von Gedichten des Kallmünzer Literaten Eugen Oker im für ihn ungewohnten oberpfälzer Dialekt, der für die Nordlichter unter uns übersetzungsbedürftig ist. Anschließend besichtigen wir die Innenräume und den Garten, wo es in fast jedem Winkel ein anderes künstlerisches Kleinod zu entdecken gibt.
So, zwischen uns und unserem Schloss in Regenstauf liegt jetzt nur noch ein langgezogener Buckel mit einer schönen, langen Abfahrt …
Heute Abend gehen wir bei herrlichem Sonnenschein in den Biergarten des Metzgerwirts. Es ist rappelvoll, und wir sind froh, eine Ecke zu finden, wo wir alle zusammensitzen können. Anschließend setzen wir uns im Schloss in einen Gemeinschaftsraum, sehen uns über Notebook und Beamer zunächst auf die Schnelle zusammengestellte eigene Fotos der vergangenen Tage an und tauschen uns über unsere Erlebnisse aus. Langsam macht sich Wehmut breit. – Zum Schluss zeigt uns Erwin noch filmische Aufarbeitungen aus der abwechslungsreichen Vergangenheit von Böhmen-Reisen und versucht so, uns für künftige Projekte zu ködern. Scheint unbedingt erfolgversprechend …!
2. August 2014
Wir nehmen die letzten Kilometer unserer Reisewoche unter die Räder. Mehr oder weniger in permanenter Sichtweite zum Regen fahren wir nach Regensburg. Dort verschaffen wir uns auf einer kurzen Rundtour erste, zugegebenermaßen eher oberflächliche Eindrücke einer wirklich schönen Stadt (– unbedingt nochmal wiederkommen!). Anschließend geht es in den Garten hinter Erwins Haus, wo die meisten von uns die Reise ausklingen lassen. Für uns Autofahrer heißt es jetzt jedoch Abschied nehmen von den anderen. Zusammen mit Erwin, der das Gepäck nachholen muss, fahren wir mit der Bahn nach Regenstauf zurück, wo unsere Autos noch stehen. Hier ist (abgesehen von der Rückfahrt) auch für uns die Reise endgültig zu Ende.
Für eine erlebnisreiche Woche mit vielen Höhepunkten möchte ich mich an dieser Stelle nochmals in erster Linie bei Erwin herzlich bedanken, der, obwohl Reiseleiter, doch stets einer von uns war. Dank aber auch an alle anderen Mitreisenden, die mir in wenigen Tagen dermaßen vertraut geworden sind!
Harald Miehe